Archivum Honkai: Star Rail

Tagebuch des Forschers Eikura Shuu

39, 51, 2157 BZ, Lyriden-Meteorstrom

Ha, das mag seltsam klingen, aber stell dir einen Forscher von der Herta-Raumstation vor, der viel Zeit im Weltall verbrachte und Angst vor der Schwerelosigkeit hat. Es sind fünf Stunden vergangen und ich spüre immer noch deutlich, wie sich das Drahtseil fest um meinen Oberkörper wickelt. Obwohl ich weiß, dass das Seil aus einem seltenen Lithiumfluorid besteht, das selbst von der schärfsten Klinge nicht beschädigt werden kann, stelle ich mir immer noch vor, wie ich mich selbst losmache und langsam ins All schwebe. Schließlich ist das Universum riesig und es gibt bestimmt für jeden einen Platz. Welchen Sinn hat es, auf der Raumstation zu bleiben und ständig gedemütigt zu werden? Vielleicht hätte ich das Glück, vom Himmlischen Kometenwall aufgehalten zu werden, während ich durch die Dunkelheit schwebe, und den klirrenden Minenwagen der Hirten zu besteigen, um zwischen den Sternen herumzureisen. Aber es wäre auch möglich, dass ich durch die Risse der Galaxie in den großen Abgrund des Leviathans stürze wie eine Eintagsfliege ins Maul eines riesigen Wals.

Ist ihr Inneres wohl warm, dunkel und feucht? Oder ist es wie der sanfte Sternenhimmel, wie ihn die Namenlosen beschreiben? Im letzteren Falle könnte ich wenigstens diesen herrlichen Anblick vor meinem Tod erleben. Das wäre besser, als hier zu bleiben und wie Dreck behandelt zu werden. Wie auch immer, es ist wirklich egal, wo ich sterbe. Es würde sowieso niemanden interessieren.

„Biep — biep —— Gleichgewichtsbestätigung abgeschlossen.“

Rote Lichter flackern in der Gleichgewichtskabine. Die Geräusche sagen mir, dass die Untersuchungsmission abgeschlossen und die Energiebilanz des Schutznetzes intakt ist. All das über das Sterben im Schlund des großen Abgrundes ist nur mein Gerede. Im Moment muss ich mich auf die Kontrollstation verlassen und einige formale Aufzeichnungen machen. Ich bin sicher, die schreckliche Handschrift wird kein Problem darstellen. Vielleicht sollte ich die Informationen aus erster Hand nicht verschwenden und versuchen, den Forschungsbericht über das Antigravitations-Schutznetz so schnell wie möglich fertigzustellen, um die unerwünschten Ergebnisse der vorangegangenen Forschung wiedergutzumachen und einige meiner Selbsteinschätzungspunkte zurückzugewinnen. Oder vielleicht sollte ich Wen Tianweng im Instandsetzungsraum auf ein Getränk treffen, um meine Nerven zu beruhigen. Dann kann ich ehrlich zu mir selbst sein und meine Abneigung gegen das Schreiben von Forschungsberichten zugeben.

Das sind nicht unbedingt schlechte Nachrichten. Ich bin sogar aufgeregt. Informationen über die Legion waren schon immer das Monopol der Forscherelite. Es wäre sehr viel interessanter, den größten Gegner der Raumstation aus der Nähe zu beobachten, als das Ionisationsgleichgewicht zu überprüfen und zu reparieren und nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Verteidigung zu suchen. Warum sollte sich ein Forscher wie ich Gedanken über die Verbesserung der Verteidigung machen? Stellt die IFK nur die Verteidigung her, bietet aber keinen Kundendienst an? Es ergibt überhaupt keinen Sinn, die Aufgabe des ultimativen Überlebens dem Forscher mit der niedrigsten Punktebewertung einer Ära zu überlassen. Ich habe den Verdacht, dass dies nur eine Falle ist und dass es einen Hintergedanken dabei gibt: Sobald ein Forscher scheitert, soll er körperliche Arbeit verrichten, um zu beweisen, welche Werte er noch hat.

Das sind nicht unbedingt schlechte Nachrichten. Ich bin sogar aufgeregt. Informationen über die Legion waren schon immer das Monopol der Forscherelite. Es wäre sehr viel interessanter, den größten Gegner der Raumstation aus der Nähe zu beobachten, als das Ionisationsgleichgewicht zu überprüfen und zu reparieren und nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Verteidigung zu suchen. Warum sollte sich ein Forscher wie ich Gedanken über die Verbesserung der Verteidigung machen? Stellt die IFK nur die Verteidigung her, bietet aber keinen Kundendienst an? Es ergibt überhaupt keinen Sinn, die Aufgabe des ultimativen Überlebens dem Forscher mit der niedrigsten Punktebewertung einer Ära zu überlassen. Ich habe den Verdacht, dass dies nur eine Falle ist und dass es einen Hintergedanken dabei gibt: Sobald ein Forscher scheitert, soll er körperliche Arbeit verrichten, um zu beweisen, welche Werte er noch hat.

Obwohl ich kein Interesse an dieser Thematik habe, muss ich einen anständigen Forschungsbericht vorlegen, oder ich muss mich auch in der nächsten Ära noch damit herumschlagen. Das ist eine spektakuläre Form der zyklischen Bestrafung.

Ich verstehe nicht, warum es für alles eine Punktebewertung gibt. Natürlich wird jetzt jemand sagen, dass nur ein Widerling und Versager wie ich die Logik hinter einem Punktesystem in Frage stellen würde. Alle Forscher stellen sich am selben Tag eines jeden Bernsteinzeitalters an, um den Bewertungsraum zu betreten, damit die Raumstation uns im Namen der Gelehrsamkeit prüfen kann. Wie Schweine, die am Fließband geschlachtet werden, werden wir als „Elite“, „Durchschnitt“ oder „Mangelhaft“ eingestuft. Um eine höhere Punktzahl zu erhalten, werden Themen, die weniger populär oder esoterisch sind oder aber einen längeren Berichtszeitraum haben, von den Forschern vernachlässigt, während hingegen die Anzahl der Forschungsthemen, die der Schmeichelei und Show dienen, täglich zunimmt. Wenn ich mir die Forscher ansehe, die dieser künstlichen Bewertung nachjagen, habe ich eines verstanden: Wir sind nicht durch die Gelehrsamkeit gesegnet, sondern werden von ihr ausgebeutet. Sie kann diese Menge intelligenter Köpfe leicht kontrollieren, indem sie ihren ungebremsten Einfallsreichtum an einem Ort bündelt und damit alle Möglichkeiten des freien Denkens auslöscht.

Ich kann nicht anders, als über die Situation auf meinem Heimatplaneten nachzudenken, der auf der Hosea-Sternenkarte als Xin-41 markiert ist. Damals war ich ein absolutes Genie, und ich hatte so viel Energie. Als ich zum ersten Mal genug Potenzial zeigte, um den Test zu absolvieren, unterschieden sich meine Kindheitsgefährten nicht von den oberflächlichen Forschern auf der Raumstation. Sie hatten mich umringt und bejubelt, so wie die Forscher jetzt die „Helden“ umringen, die die Legion erforschen. Sie hatten gebetet, dass ich sie von Xin-41 wegbringen würde und den Bewohnern von Xin-41 eines Tages zeigen würde, wie das Leben in galaktischen Regionen außerhalb des kolonialisierten Gebiets ist. Sie haben einmal von einem anderen Leben geträumt; einem Leben, das sie nicht vollständig mit der Ernte halluzinogener Gewürze vergeuden, um den angeblichen Traum der Slinkan-Spezies von der Unsterblichkeit zu erfüllen.

Erst nach meiner Ankunft auf der Raumstation fand auch ich heraus, dass die Slinkaner nicht die Herrscher der Galaxie sind. Im Gegenteil, verglichen mit der höchsten Existenz in dieser Galaxie unterscheiden sich die Slinkaner gar nicht so sehr von den Bewohnern von Xin-41. Wenn die Einwohner von Xin-41 mutig genug wären, müssten sie sich um jeden Preis gegen die schwache soziale Kontrolle auflehnen, die die Slinkaner über sie haben. Aber das können sie nicht, weil ihnen sowohl das Wissen als auch der Mut dazu fehlt.

Obwohl ich meinen Mangel an Wissen über diese bedrückenden Situationen überwunden habe, hat sich die Feigheit aus dem verarmten Boden auf Xin-41 tief in meinen Knochen festgesetzt. Deshalb habe ich auch geschwiegen, als ich aufgrund dieser unberechenbaren spirituellen Organismen eine einstellige Punktzahl erhielt. Ich erhielt den Blick des „Himmelsnetzes“ im Bewertungsraum, als hätte ich gerade im sauren Regen meines Heimatplaneten gebadet. Ich war verbrannt, ich war gedemütigt, ich war voller Hass – und ich schwieg.

Es ist jedoch erwiesen, dass selbst das Gefühl der Unbehaglichkeit übertrieben ist. Außerhalb der Raumstation hat die Einteilung der Menschen in verschiedene Klassen nur einen einzigen Vorteil, nämlich die Bequemlichkeit, sich anderen gegenüber überlegen zu fühlen. Hier ist es jedoch noch schlimmer. Die Forscher haben so etwas wie ein Gefühl der Überlegenheit nicht nötig. All ihre harte Arbeit dient dem Zweck, die Aufmerksamkeit und Anerkennung von Frau Herta auf sich zu ziehen. Sie gehen an mir vorbei, als wäre ich nur ein harmloser Geist. Das stimmt, es gab schon immer harmlose Geister, die hier ziellos und schweigend umherirren. Es ist nur so, dass ich zu der Zeit, als ich in der Lage und willens war, sie zu bemerken, selbst einer von ihnen geworden bin.

Ich habe immer noch nicht den Mut gefunden, meiner Familie in der fernen Heimat zu erzählen, in welcher Lage ich mich wirklich befinde. Ich will nicht, dass sie erfahren, dass das Genie von Xin-41, in den sie so große Hoffnungen gesetzt hatten, nichts weiter ist als ein minderwertiges Schwein in der Raumstation, das Tag und Nacht angestarrt wird.

Eikura Shuu