Weder beim Xianzhou-Chordofon noch beim foxianischen Trommelgesang wird viel Wert auf die Melodie gelegt. Die Bewohner von Xianzhou konzentrieren sich eher auf das Spielen des Chordofons als den Gesang. Der Fokus der Foxianer liegt eher auf den Texten – oftmals trommeln sie ein ganzes Lied hindurch zur selben Melodie. Die Vidyadhara sind da anders: Ihr Instrument der Wahl ist eine einfache Kastagnette, dazu setzen sie auf eine große Vielfalt von Melodien.
Aber wenn du ein eher fröhlicher Zuhörer bist, der nur ungern Geschichten über großes Leid lauscht, und du einen Vidyadhara siehst, der seine Kastagnette zu spielen und zu singen beginnt ... dann solltest du besser die Beine in die Hand nehmen! Denn was dann folgt, könntest du sicher nur schwer ertragen.
Es heißt, die Vidyadhara-Elegien stehen für die tragischsten Aspekte der Kultur von Xianzhou. Wenn es um die Liebe geht, besingen die Xianzhou-Chordofonisten ihren Schwarm aus Schulzeiten und die Foxianer ihre ungezügelte Leidenschaft. Die Vidyadhara-Spieler hingegen singen über ihre verlorene Liebe. Die Helden in den Liedern von Xianzhou sind ritterlich und mutig und die foxianischen Helden vertreiben das heimtückische Böse. Die Vidyadhara-Spieler hingegen singen von Pyrrhussiegen.
Dieser tragische Ton passt gut zu den Vidyadhara-Elegien – nur wenige davon haben ein Happy End. Das Publikum verlässt solche Darbietungen meist mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass die Vidyadhara-Elegien in einer Zeit großer Unruhe entstanden. Vielleicht ist man der Tragik aufgrund dieser Krisenzeiten treu geblieben.
Vor einigen Jahrhunderten lebte eine Vidyadhara-Spielerin namens Ling Jie, die zwei Opern sang, die ein Riesenerfolg auf der Xianzhou Luofu wurden: „Die Drachenzahngeschichten“ und „Schicksalhafte Wiedergeburt“. „Die Drachenzahngeschichten“ ist ein Heldenepos mit einem tragischen Ende. „Schicksalhafte Wiedergeburt“, erzählt die unglückliche Liebesgeschichte eines Bewohners von Xianzhou und einem Vidyadhara, die für keinen gut ausgeht.
Ling Jie wurde inzwischen wiedergeboren, doch ihre Werke sind deswegen nicht verloren gegangen. Unzählige Bewohner von Xianzhou sind in Ling Jies Fußstapfen getreten und studieren diese Elegien. Viele davon sind noch nicht einmal Vidyadhara. Wenn man heutzutage jemanden in Xianzhou eine Vidyadhara-Elegie singen hört, kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um einen treuen Anhänger von Ling Jie handelt.
Aus diesem Grund bin ich schon immer der Meinung, dass sich Ling Jies Wiedergeburt von denen anderer Vidyadhara-Spieler unterscheidet. Ihre Kultur lebt wahrhaft auf ewig in den Herzen der Bewohner von Xianzhou weiter.